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05.12.2025rss_feed

Interview: Haltung von Schweinen mit intakten Schwänzen: Was kann die Fütterung beitragen?

Header Interview Dr. J Krieg

In einer mehrteiligen Web-Seminarreihe für ISN-Mitglieder im November wurden einige mögliche Ursachen für Schwanzbeißen vorgestellt, um die Zusammenhänge besser verstehen und praktische Ansatzpunkte für den Einstieg in den Kupierverzicht finden zu können. Im ersten Teil hat Dr. Jochen Krieg von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen beleuchtet, wie die Fütterung zur Haltung von Schweinen mit intakten Schwänzen beitragen kann. Wir haben ihn im Nachgang gebeten, einige zentrale Fragen dazu zu beantworten.

 

Was sind aus Ihrer Sicht die entscheidenden Erfolgsfaktoren, um auf das Kupieren der Schwänze verzichten zu können?

Es gibt eine Vielzahl von Faktoren von Haltung bis Genetik, welche die Haltung unkupierter Tiere beeinflussen können. Ich beschäftige mich hauptsächlich mit der Fütterung. Bei der Fütterung ist sicherzustellen, dass die Tiere bedarfsdeckend mit Nährstoffen versorgt werden. Verschiedene Untersuchungen zeigen zum Beispiel, dass ein Mangel in der Aminosäurenversorgung das Auftreten von Caudophagie/Schwanzbeißen fördern kann und dieser Mangel auch durch Beschäftigungsmaterial nicht wieder auszugleichen ist. Das verdeutlicht, wie wichtig die Fütterung als Grundlage einer erfolgreichen Ferkel- und Mastschweinehaltung ist.

 

Welche typischen Fehler oder Herausforderungen sehen Sie derzeit noch in der Praxis, wenn es um den Kupierverzicht geht?

Die wohl größte Herausforderung ist meiner Meinung nach, dass nicht immer nachvollzogen werden kann, warum es zu Vorfällen mit Schwanzbeißen kommt. Eine regelmäßige Risikoanalyse in der u.a. die Durchflussraten an den Tränken, die Inhaltsstoffe im Futter sowie die Ausdosierung des Futters überprüft werden, kann helfen, frühzeitig mögliche Störfaktoren zu finden. Ebenso wichtig ist eine regelmäßige Tierbeobachtung, um frühzeitig bei ersten Anzeichen von Schwanzbeißen reagieren zu können.

 

Welche Stellschrauben können Landwirte in Bezug auf die Fütterung besonders wirkungsvoll nutzen, um Schwanzbeißen vorzubeugen?

Wie bereits erwähnt, sollte auf eine ausreichende Aminosäureausstattung geachtet werden. Das betrifft natürlich insbesondere Rationen, bei denen der Rohproteingehalt weit abgesenkt ist. Auch weitere Punkte wie eine bedarfsdeckende Mineralstoffversorgung, Futter- und Wasserhygiene sind wichtig, sollten aber ohnehin beachtet werden. Die Versorgung mit faserhaltigen Futtermitteln kann zudem helfen, Schwanzbeißen vorzubeugen. Die Wirkung der Faser auf die Darmgesundheit und das Mikrobiom geht weit über den bis vor einigen Jahren eher als nachteilig bewerteten Verdünnungseffekt hinaus. Dafür ist jedoch eine Faserbewertung erforderlich, die über die Rohfaser als hinaus geht.

 

Welchen Einfluss haben die Futterzusammensetzung und das Fütterungsmanagement auf das Risiko von Schwanzbeißen?

Bei den bereits erwähnten Aminosäuren spielt auch die Verdaulichkeit eine Rolle – nicht jedes Futtermittel liefert dem Tier den gleichen Anteil der enthaltenen Aminosäuren. Das bedeutet, dass je genauer man am Bedarf der Tiere füttert, die Berücksichtigung der Futtermittelverdaulichkeit eine immer wichtigere Rolle spielt. Zudem scheint es einen Zusammenhang von Futtervorlage und Schwanzbeißen zu geben: werden oft (zu) kleine Portionen ausgegeben, kann dies Schwanzbeißen begünstigen. Bei Flüssigfütterungen ist, wie auch für eine optimale Leistung, auf möglichst homogenes Futter, einen entsprechend hohen Trockenmassegehalt für eine nachhaltige Sättigung und eine gute Hygiene zu achten. Abhängig vom Fütterungssystem sollten auch die Fressplätze nicht zu knapp bemessen und ausreichend dimensioniert sein, um Stresssituationen, insbesondere für rangniedere Tiere, weitestgehend zu vermeiden. Für oft diskutierte Zusammenhänge zwischen einzelnen Futtermitteln wie z.B. Molke und dem Auftreten von Schwanzbeißen gibt es keine eindeutigen Nachweise.

 

Welche Maßnahmen würden Sie fütterungsseitig bei einer Havarie empfehlen? Gibt es bestimmte Nährstoffe oder Fütterungsstrategien, die sich in der Praxis im Notfall bewährt haben?

Ein allgemeingültiges Rezept gibt es leider nicht. Neuere Untersuchungen zeigen, dass selbst die oft erwähnten Magnesiumgaben nicht immer helfen. Wenn der Verdacht auf eine Mykotoxinbelastung besteht, kann der Einsatz von Mykotoxinbindern durchaus hilfreich sein. Auch wenn sich der direkte Zusammenhang zum Schwanzbeißen hier nicht immer zeigt, werden die negativen Folgen der Mykotoxine eingedämmt. Die Gabe von Beschäftigungsfutter hilft oft, das Beißgeschehen einzudämmen.

 

Wenn Sie den Landwirten abschließend eine zentrale Empfehlung für den Kupierverzicht mitgeben könnten – welche wäre das?

Auch wenn es eigentlich nichts Neues ist: Eine Versorgung mit ausreichend Futter-, Wasser und Nährstoffen durch hygienisch einwandfreies Futter und Wasser ist das A und O. Das schließt neben einer möglichst exakten Bewertung der eingesetzten Komponenten auch die Analyse der Ration/des Fließfutters und das Erfassen von Tiergewichten ein. Nur so kann ich beurteilen, ob ich meine Fütterungsziele erreiche.